Woche 8
ODER Von Achterbahnen, Politik und Brot
Heute schreibe ich euch, wie der Name schon sagt und wie es sich für einen „Wochenbericht“ schließlich auch gehört, wieder mal nach einer Woche :-).
Und gleich zu Beginn bin ich euch ja die Quizergebnisse von letzter Woche schuldig. Wusstet ihr, dass ...
- der/die DurchschnittsösterreicherIn 1,72m groß und 74kg schwer ist?
- dass wir ÖsterreicherInnen jährlich 70kg Fleisch essen?
- dass wir im Schnitt 216 Krügerl Bier trinken?
- dass wir pro Jahr rund 11kg Schokolade verdrücken?
Ich fand diese Fakten echt spannend, denn essen wir wirklich 8 - 10 Portionen Fleisch und im Schnitt eine Tafel Schokolade pro Woche? Im Bierkonsum liegen wir übrigens am zweiten Platz, gleich hinter den Tschechen, die jährlich pro Kopf 145 Liter trinken. :-)
Aber nun zurück zu meiner Woche.
Ich kann eigentlich nicht viel berichten … Nach zwei grauen und nassen Tagen scheint Gott sei Dank wieder sie Sonne, bei der wir, gemeinsam mit unseren StudentInnen auch Wienerschnitzel, Spätzle und Gulasch genießen konnten. Nach diesem kurzen Hoch kam am Freitag dann aber auch der tiefe Fall, der mich einmal wieder zu meiner wohl größten Herausforderung hier zurückbringt. Einem Kampf, der inzwischen kurz schon mal fast gewonnen schien, in dem der Gegner aber wieder an Stärke gewinnen konnte und grade unbezwingbar scheint …
Die Woche ist wie im Flug vergangen – Lektüre, Unterricht, Korrekturen und Nachhilfe. Und schon wieder sitze ich an einem Sonntag da und berichte euch aus meinem Leben. Von meinen 20 Stunden, die ich laut Vertrag in der Woche „beschäftigt“ sein sollte, verbringe ich allein schon 13 in Klassenzimmern und Hörsälen. Dazu kommen 2 ½ Stunden Sprech- und Tutoring-Stunden. Und bei insgesamt 15 ½ hab ich noch keine einzige von meinen gut 100 Seiten, die ich pro Woche zu lesen habe, gelesen, hab noch keine einzige Email beantwortet und keine Stunde vor- oder nachbereitet Ihr könnt euch vorstellen, dass ich momentan weit über 20 Stunden arbeite. Irgendwie gut, weil mir zumindest nicht langweilig wird und die Zeit hier schnell vergeht, aber andererseits wirklich schade, weil ich kaum Zeit für „andere“ Dinge habe. Kaum Zeit, Atlanta, Georgia und die USA zu erkunden. Und letztlich auch kaum Zeit für mich.
Aber manchmal schaffe ich es dann doch, mir ein paar Stündchen Zeit zu nehmen, um mal von zu Hause raus zu kommen. So war ich gestern auch auf dem jeden Samstag stattfindenden Farmers Market in Decatur. Einem wirklichen Bauernmarkt mit Brot, Gemüse und anderen lokalen Produkten, wie auch wir ihn kennen. „Klein, aber fein“, lautet hier das Motto.
Aber das macht schließlich nichts, denn, schon fast am Ende meiner Runde, hab ich es gesehen: Bauernbrot. Dunkel und knusprig … ein wahrer Genuss!
Wieder zu Hause angekommen, hätt ich am liebsten gleich den ganzen Laib auf einmal gegessen, aber nicht nur, dass ich zuvor grad mein erstes richtiges amerikanische Frühstück – Pancakes und Frech Toast:
genossen habe, Bioprodukte sind hier auch wirklich teuer. So hat auch der kleine Laib Brot, ich schätze mal max. ein halbes Kilo, stolze 7$ gekostet. Und während man da wirklich zweimal überlegt, genießt man erst so richtig! Schon komisch wie so „einfache“ Dinge wie Schwarzbrot plötzlich was ganz Besonderes werden :-).
Nach dieser kurzen Auszeit hat dann aber auch schon wieder mein Schreibtisch nach mir gerufen: die Lehrbücher, die Kurspläne und die ersten wirklichen Texte, die ich zu korrigieren hatte. Und da hätte ich am Freitag am liebsten zu weinen begonnen … Und um ehrlich zu sein, ich könnte immer noch weinen … :-). Warum? Das kann viele Gründe haben, hoffe ich zumindest, denn ich kann mich einfach nicht dem Gefühl lösen, im letzten Monat vollkommen versagt zu haben.
Aber vielleicht sollte ich am Anfang anfangen …
Wir haben am Donnerstag unsere erste Unit (die erste von insgesamt 3 in diesem Semester) abgeschlossen und am Ende steht neben dem Unitexam auch jeweils eine Schreibaufgabe. Die Aufgabe diesmal: ein Brief an einen „imaginären“ Cousin oder auch die Cousine in Wien, in welchem man von seinem Leben hier an der Uni berichtet und nachfragt, wie das in Wien ist. Basierend auf all den Themen, die wir mittlerweile durchgenommen haben, sollten die StudentInnen von ihrer Lebens- und Wohnsituation, ihrem Studium, ihrem Tagesablauf, ihren Freizeitaktivitäten spwoe ihren Ess- und Kleidungsgewohnheiten berichten.
Das dafür notwendige Vokabular und die dafür notwendigen Satzstrukturen haben „wir“ ein Monat lang geübt – im Unterricht und mithilfe vieler Arbeitsblätter – und so sollte dieser Brief, zumindest theoretisch, kein Problem sein. THEORETISCH! Während einige wenige Texte wirklich gut sind, so konnte ich auch Dinge wie diese lesen:
„Wie geht es dir? Ich bin hier sehr gut.“
„Studenten waren T-Shirts und Jeans.“
„Am Wochenende esse ich mit meinen Freunden das Taco Bell Restaurant.“
„Dienstag ist ein sehr stressiger Schultag von Montag bis Samstag.“
„Ich wohne alleine (in der Wohngemeinschaft), aber 9 Freunde wohnen auch in der Wohngemeinschaft.“
Und das sind mit Abstand die lustigsten Fehler, die auch noch am leichtesten zu erklären sind.
Ehrlich, hätte ich hier Zugriff auf meine Schnapsvorräte, wie das zu Hause normalerweise der Fall ist, so wäre ich am Freitag mit Sicherheit wirklich gut drauf gewesen :-). Aber nicht unbedingt, weil es so lustig war …
Die Fehler sind zum Teil so gravierend und zahlreich, dass auch ein Laie erkennen kann, dass manchen einfach die Basis fehlt. Was mich zur Frage bringt: Was ist diese Basis? Woraus besteht sie? Und wer lehrt sie. Folglich gibt es in meinen Augen drei mögliche Gründe, auf die die Ergebnisse dieser ersten Schreibaufgabe letztlich zurückzuführen sind: MICH, die StudentInnen oder – und schon wieder lande ich da – das übergeordnete didaktische Konzept, nach dem „wir“ hier unterrichten.
Grundsätzlich bin ich ja davon überzeugt, dass meine SchülerInnen immer nur das leisten können, was ich ihnen auch beigebracht habe. D.h. sie können auch nur so gut sein wie ich es bin und mein Unterricht es ist. Fehlergrund also ganz eindeutig ICH. Klar, wir sind auf der Uni und nicht mehr in der Schule und „unser“ Unterrichtskonzept gibt sicher gut 75% der Lernleistung an die Lernenden ab. Zu dieser großen Eigenverantwortung kommt die Tatsache, dass diese Schreibaufgabe aus zwei Teilen besteht – bewertet wird erst eine zweite korrigierte Fassung -, weshalb sie viele mit Sicherheit nicht ganz so ernst genommen haben. Ja, gerne schiebe ich meine Verantwortung einfach darauf ab, aber letztlich und ganz besonders wenn ich die vielen Fehler sehe, die jeglicher Basis entbehren, dann kann ich nicht mit gutem Gewissen sagen, dass sie einfach selbst schuld bzw. dafür verantwortlich sind.
Und da lande ich schließlich wieder bei meiner nicht endenden Herausforderung: meinem Unterricht. Und der ist wirklich eine Achterbahnfahrt: nach einem beginnenden wirklich guten Gefühl, dass sich diese Woche breitgemacht hat, kam am Freitag die erste Talfahrt und wenn ich daran denke, wie es am Montag weitergeht, dann befinde ich mich derzeit in einem nicht enden wollenden Looping. Und da soll einem nicht schlecht werden … :-).

Am Montag, morgen, schreiben „wir“ unser erstes Exam und gleich in der darauffolgenden Stunde geht es dann im Kursplan weiter. Wir beginnen die zweite Unit und an Stoff fehlt es ja auch hier wieder nicht: von Freizeitaktivitäten an der freien Natur wie dem Wandern oder Sport bis hin zum Dativ und den Nebensätzen. Kein Wunder, wenn da Köpfe rauchen – oder wär doch rollen das bessere Wort? :-)
Ich hab jedenfalls eine Entscheidung getroffen! Ich kann meine didaktischen Ansätze und meine methodischen Ideen in das Konzept hier einfach nicht integrieren. Dafür wäre an vielen Stellen eine Neustrukturierung der Unterrichtsinhalte notwendig, was im Rahmen des derzeit vorliegenden und v.a. standardisierten Kursplans aber einfach nicht möglich ist. Mit meinen – mal sehr vorsichtigen – Anregungen bin ich diese Woche übrigens auf viele offene Ohren gestoßen und bei einem das Semester abschließenden Meeting wollen wir Ideen zusammentragen und diskutieren. Und so bleibt mir hier nur mehr eine Möglichkeit, um letztlich nicht noch unglücklicher zu werden: nach Vorgabe und den Erwartungen zu unterrichten und dabei nicht allzu viel nachzudenken. Und das wird der richtige Weg sein, denn wenn ich nicht mehr so strauchle und mit einem „klaren“, wenn auch nicht meinem gewünschten, aber immerhin einem Ziel unterrichte, dann wird es hoffentlich auch meinen StudentInnen letztlich besser gehen.
Und damit hoffe ich, gerade aus der Achterbahn ausgestiegen zu sein … Schließlich will ich bald in die echte steigen!
Und ich möchte euch, auch wenn sie nun mal einfach dazugehören, ja auch viel lieber von tollen, lustigen und schönen Dingen berichten!
Hier wird es langsam wirklich Herbst. Die Menschen beginnen damit, ihre Häuser mit Kürbissen zu dekorieren und auch in vielen Restaurants gibt es Kürbisspezialitäten. Vom Kürbisbier hab ich euch ja schon erzählt, aber ihr werdet nicht glauben, was ich diese Woche gesehen hab:
Bild: http://www.yumsugar.com/Via-Ready-Brew-Pumpkin-Spice-Review-24864722
http://www.starbucks.com/menu/drinks/espresso/pumpkin-spice-latte
Unglaublich, oder? Aber, und wahrscheinlich wäre es mir nur einfach gar nicht aufgefallen, gibt es das bei uns eh auch schon?! Ich hab mich jedenfalls noch nicht getraut, aber vielleicht sollte ich es doch mal wagen …
Und wie ich in der Einleitung ja auch schon geschrieben habe, waren wir diese Woche mit einigen unserer StudentInnen im Biergarten essen. Passend zum Unterrichtsthema Essen, hat sich eine meiner Arbeitskolleginnen die Mühe gemacht, einen Ausflug für unserer Deutschanfängerklassen zu organisieren und da sind wir natürlich gerne mitgefahren. Auf freiwilliger Basis natürlich und so waren wir von insgesamt 5 Klassen schließlich 23 Leute. Und es war ein gelungener Abend, den wir bei gutem Essen – ich hab natürlich Wiener Schnitzel gegessen, wobei für den Apfelstrudel leider kein Platz mehr war – genossen haben.
Und dann stand die letzte Woche, wie letzten Sonntag ja auch schon angekündigt, wirklich ganz im Zeichen der Politik. Neben wirklich spannenden Diskussionen über das österreichische Wahl- und Politiksystem mit meinen StudentInnen – von der Rolle des Bundespräsidenten über Wahlvorgänge bis hin zur Bedeutung von direkter Demokratie –, hab auch ich diese Woche entschieden. Nachdem meine Wahlkarte endlich angekommen ist und ich in den letzten Wochen ja intensiv versucht hab, all die vielen Wahlduelle und –berichterstattungen zu verfolgen, hab ich letztlich ein Kreuzerl gemacht.
Als eine von angeblich gut 800.000 BriefwählerInnen war ich euch damit die ganze Woche einen Schritt voraus. Und weil ich hier in Wahrheit aber ja doch ein paar Stündchen hinterherhinke :-), so kann ich hier schon am Nachmittag sagen, dass mich das Ergebnis zwar irgendwie überrascht, letztlich aber ja aber doch irgendwie vorhersehbar war. Was spannend bleibt, ist was jetzt erst richtig anfängt. Bin gespannt wie lang es dauern wird …
Und weil ich das ja noch vorläufige Ergebnis hier nicht kommentieren oder diskutieren will, so werde ich zum Abschluss der Politik einen Witz mit euch teilen, den ich im Zuge meiner Recherchen letzte Woche entdeckt hab. Ich find ihn irgendwie gelungen und es tat mir leid, dass ich ihn nicht für meinen Unterricht benutzen konnte. Gern hätte ich ihn als Anlass für eine Diskussion über Politik genutzt, aber meine StudentInnen hier verfügen noch nicht wirklich über ein dafür notwendiges Sprachniveau und auch die Erarbeitung notwendigen Hintergrundwissens hätte wahrscheinlich zu viel Zeit in Anspruch genommen. Und deshalb halte ich ihn einfach hier fest, vielleicht kennen ihn ja auch schon einige von euch?!
Und weil wir hier im weltweiten Netz sind, eine Randbemerkung: Ich möchte hiermit keine Haltung oder politische Einstellung zum Ausdruck bringen, sondern nur teilen, was mich in den letzten Tagen zum Schmunzeln gebracht hat!
Die Erklärung der Politik (ganz ohne weitere Worte)
Der kleine Sohn geht zu seinem Vater und fragt ihn, ob er ihm erklären könne, was Politik sei. Der Vater meint: „Natürlich kann ich dir das erklären. Nehmen wir zum Beispiel unsere Familie. Ich bringe das Geld nach Hause, also nennen wir mich Kapitalismus. Deine Mutter verwaltet das Geld, also nennen wir sie die Regierung. Opa passt auf, dass alles seine Ordnung hat, also ist er die Gewerkschaft. Unser Dienstmädchen ist die Arbeiterklasse. Wir alle haben nur eins im Sinn, nämlich dein Wohlergehen. Folglich bist du das Volk und dein kleiner Bruder, der noch in den Windeln liegt, ist die Zukunft. Hast du das verstanden?“ Der kleine Sohn ist sich nicht ganz sicher und möchte erst noch einmal darüber schlafen.
In der Nacht wacht der kleine Junge auf, weil sein kleiner Bruder in die Windeln gemacht hat und fürchterlich schreit. Weil er nicht weiß, was er machen soll, steht
er auf und klopft an das Elternschlafzimmer. Im Bett liegt aber nur seine Mutter, die sich nicht wecken lässt, weil sie ganz tief schläft. Also geht er in das Zimmer des Dienstmädchens, in dem
sich der Vater gerade mit demselben vergnügt, während der Opa durch das Fenster unauffällig zusieht. Alle sind so beschäftigt, dass sie nicht mitbekommen, dass der Junge vor dem Bett steht. Also
beschließt er, unverrichteter Dinge wieder schlafen zu gehen.
Am nächsten Morgen fragt der Vater seinen Sohn, ob er nun mit eigenen
Worten erklären könne, was Politik ist. „Ja“, antwortet der Sohn. „Der Kapitalismus missbraucht die Arbeiterklasse und die Gewerkschaft schaut zu, während die Regierung schläft. Das Volk wird
vollkommen ignoriert und die Zukunft liegt in der Scheiße. Das ist Politik.
Zum Abschluss meiner mittlerweile achten Woche kann ich nur sagen, dass offensichtlich stimmt, was mir hier alle sagen: Die Amis können einfach nicht Auto fahren. Aber was sie tatsächlich noch viel weniger können, ist PARKEN. Und so verabschiede ich mich mit den Parkkünsten meiner beiden Kolleginnen und wünsche euch eine wunderschöne, erfolgreiche und auch erholsame Woche!
